FARBE BEKENNEN!
Zeiten ändern sich, Menschen ändern sich und Bands bekanntlich auch. Insbesondere, wenn sie DEPP JONES heißen. Wer könnte darüber ein besseres Zeugnis abgeben als Sänger BELA B.?
Diese Band brauchte ihre Zeit. Das Debüt vor zwei Jahren, RETURN TO CARAMBA, ließ in der Tat Zweifel offen, zumal mir die Tatsache, daß diese Band wegen des Namedropping-Effektes – natürlich – einen Majordeal mit der entsprechenden Medienpower bekam, doch reichlich suspekt erschien. Heute weiß ich, daß ein Majordeal die Probleme eines Musikers selten vermindert. So wurden Depp Jones – nach zwei halbwegs erfolgreichen Club-Tourneen – auf der vorletzten, im Vorprogramm der deutschen Danzig Visite, dem Publikum zum Fraß vorgeworfen. Schwierig,
“daß da ein Typ von den Ärzten vorne steht und bei fünfzig Prozent Hardcore-Publikum nicht unbedingt auf Gegenliebe stößt.“ erklärt der Sänger, der inständig hofft, daß “das Ding mit den Ärzten nach drei Jahren endlich vergessen ist.“
Das Spotlight der Teenie Pickelpresse, wann wird es versiegen? Die Mini-LP WELCOME TO HELL markierte im Sommer letzten Jahres den Ausstieg von Bassist Beckmann, der sich mit einer anderen persönlichen, musikalischen Zielsetzung konfrontiert sah. In Bass-Guru Peter Sonntag fand sich ein Ersatz, über dessen festen Verbleib erst nach der kommenden Club- Tour entschieden werden wird. Wo eine Tour ist, da ist todsicher auch eine Platte. In diesem Fall heißt sie AT 2012 A.D. und offenbart Depp Jones endlich als eine organische, forsche Band, die geschickt den Slalom zwischen Durchschlagskraft und Tiefe geschafft hat. Sind Depp Jones der Welt um zwanzig Jahre voraus?
Bela:(lacht) “Nee, schön wär’s. Wenn, dann sind wir einigen deutschen Bands voraus, die versuchen, amerikanisch zu klingen.“
Das Album ist depressiver Natur und bezieht sich unter anderem auf “Angebote, die uns zerstreuen: Fernsehen, Video, 16 Bit-Nintendos, die uns davon abhalten, die Dinge in der Welt wahrzunehmen. Ich kriege echt Depressionen, bei den ganzen Nazi-Übergriffen. Das ist nicht begreifbar und macht einen hilflos. Und die Politiker sagen nichts oder reden nur Scheiße.“
Aber der seit Jahren überzeugte und sehr gut informierte Metal Fan Bela B. begrenzt seine Kritik nicht nur auf die Politiker:
“Es ist auffällig, daß die meisten Antifa-Festivals nur mit Punkbands, in erster Linie Slime, abgehalten werden. Ein solches Festival mit bekannten deutschen Metalbands würde doch erfolgreicher sein, viel mehr Leute ziehen. Es reicht schon, wenn so ein Festival vielen den Anstoß geben könnte, ihre Skin-Kumpel mal zur Rede zu stellen. Ich denke manchmal, daß die deutschen Metalbands so ein bißchen Schiß haben, da richtig Farbe zu bekennen. Es liegt vielleicht auch daran, daß der durchschnittliche Metal-Fan unpolitisch ist und sich nur besaufen will. Aber diesem Thema kann man sich nicht verschließen.”
Martin Groß