EXTREM ESOTERISCH POPPIG PUNKIG…
Obwohl das aktuelle DEPP JONES-Album “At 2012 A.D.“ von unserem hessischen Mitarbeiter Buffo in der November-Ausgabe des Rock Hard in den höchsten Tönen gelobt wurde, belegte das Quartett aus Berlin in den Redaktionscharts des Heftes nur einen mageren 16. Rang. So verschieden können die Geschmäcker halt sein. Das weiß auch DEPP JONES-Frontmann Bela „Ich schwöre, daß es keine Ärzte-Reunion geben wird“ Felsenheimer, der sich kürzlich mit Buffo in Berlin unterhielt.
Aufgenommen und gemixt haben Bela & Co. ihr neues Scheibchen in meiner werten Heimatstadt Frankfurt am Main. Und zwar im hiesigen Hotline-Studio. Leider ging die ganze Chose letzten Endes nicht so über die Bühne, wie sich die „Deppen“ die Sache vorgestellt hatten.
“Eigentlich war alles okay, bis ich in Urlaub gefahren bin,“ meint ein gut aufgelegter Bela. „Ich war damals fest der Meinung: Ich fahr‘ jetzt drei Wochen in den Urlaub, und wenn ich wiederkomme, ist die Platte fertig. Ich habe wirklich schon viele Scheiben in meinem Leben gemacht und noch nie länger als eine Woche im Studio überzogen. Als ich dann zurückkam, war „At 2012 A.D.“ immer noch nicht fertig. Ich habe mich dann wenig später ins Flugzeug gesetzt und bin nach Frankfurt geflogen, um herauszubekommen, was denn da schief läuft. Leider hatte unser Produzent Norbert G. Yanicke in vier Wochen nur sieben Songs abgemischt, was daran lag, daß er z.B. am ersten Stück eine Woche und am zweiten fünf oder sechs Tage gemischt hatte. Für die restlichen acht Tracks haben wir dann allerdings nur noch fünf Tage gebraucht. Zum Teil lag es aber auch am Studio, denn teilweise mußten wir auf Bands Rücksicht nehmen, die schon fast seit zwei Jahren an ihrer Platte werkeln. Glücklicherweise hat das Studio dann auch einen Großteil der zusätzlichen Kosten übernommen, so daß unsere Plattenfirma nur einen kleinen Obolus entrichten mußte. Urspünglich sollten wir in sechs Wochen fertig sein, brauchten letztlich aber fast elf!”
Interessant die Wahl des Produzenten für die Produktion war, Bela erwähnte es bereits, ein gewisser Norbert Yanicke zuständig. Ein Name, der im Zusammenhang mit Acts aus dem Hard & Heavy-Genre bisher noch nicht gefallen ist.
“Für uns war es wichtig, mit einem Producer zusammenzuarbeiten, der nicht aus dem Metal-Be- reich kommt. Norbert kommt mehr aus der Disco-Ecke, und da man als Produzent von Discomucke einfach mehr Spielraum hat, war der Mann für uns interessant. Wir hatten zwar auch die Möglichkeit, mit Scott Burns vom Morrisound zu produzieren, aber soundmäßig war uns das ein wenig zu unsicher.”
Die Bassparts auf „At 2012 A.D.“ hat nach dem Ausstieg von Beckmann ein gewisser Peter Sonntag eingespielt, der insbesondere in Jazzkreisen einen ausgezeichneten Ruf genießt.
“Richtig, Peter ist weltweit als guter Jazzbasser bekannt und bringt jedes Jahr ein Soloalbum raus. Die Teile verkaufen sich zwar nicht gerade super, aber solche Dinger kaufen sich ja auch überwiegend nur Bassisten. Auf alle Fälle hat der Peter vor einiger Zeit eine Bassfirma gegründet, die junge Bands recht großzügig supportet, insofern sie die Bands mag. Die Firma hat seinerzeit die Rainbirds unterstützt – daher kennt Rod (DEPP JONES-Axeman und ehemaliger Rainbirds-Gitarrero – d.Verf.) Peter. Außerdem kennt Lüde von Lüde & die Astros den Peter schon eine Weile und Lüdes Leumund ist mir sehr viel wert. Ich halte Lüde für den Mann, der die beste Menschenkenntnis in der ganzen deutschen Rockszene hat, und wenn er sagt, jemand ist okay, dann ist er auch okay! Ursprünglich hatten wir einen anderen Basser im Auge, aber da er schon in zwei Gruppen spielt und wir mit beiden befreundet sind, haben wir davon schnell wieder Abstand genommen. Es ist halt nicht unser Ding, jemanden abzuwerben. Dann kamen wir auf die Idee, den Peter Bass spielen zu lassen, da er auf dem Instrument praktisch alles beherrscht. Der hat schon in Amerika auf Workshops mit Leuten wie Billy Sheehan, Nicko McBrain und dem Michael Jackson-Drummer gespielt. Da wir eine ganze Weile weg vom Fenster waren und sich unsere Musik in dieser Zeit auch entsprechend verändert hat, sagten wir uns: ‚Warum sollen wir nicht noch eine Farbe hinzugeben?‘ Peter sieht Musik extrem esoterisch und spielt sie auch so. Dabei kann er recht hart spielen, bringt aber noch jede Menge Gefühl rüber. Im Endeffekt haben wir einen Rock’n’Roller, also Beckmann, gegen einen Typen eingetauscht, der mit seinem Instrument Bilder malt. Wir haben schon ein paar Gigs mit ihm absolviert, und bisher hat es komischerweise echt gut geklappt, obwohl Peter aus einer völlig anderen Welt kommt. Im Moment läuft noch seine Probezeit, auf Tournee werden wir sehen, wie wir in Extremsituationen miteinander klarkommen.”
Was einem an der neuen DEPP JONES-Langrille sofort auffällt, ist das enorm breite musikalische Spektrum, das der Vierer abdeckt, ohne daß man der Combo mangelnde Eingängigkeit vorwerfen kann. Ganz im Gegenteil: Unter den 15 Stücken auf dem Zweitling finden sich Ohrwürmer en masse.
“Die Gesangsmelodien mache grundsätzlich ich – und die sind relativ poppig. Das ist halt mein Ding. Wohl auch, weil ich mit Punkrock groß geworden bin. Die Vibrators, All und auch Misfits sind eigentlich ziemlich poppige Bands und gehören schon seit jeher zu meinen Favoriten. Ich stehe zwar auch auf Carcass und so, aber auf den Zug möchte ich nicht aufspringen – es sei denn, es geht irgendwann nicht mehr anders… Dann kann ich mir wenigstens jede Nacht meine Stimme, beziehungsweise das bißchen, was ich davon habe, wegsaufen und trotzdem noch ‚rumgrunzen.”
Während sich Bela auch auf dem neuen Werk für die Lyrics verantwortlich zeigt, stammt die Musik der Wahlberliner aus der Feder von Gitarrist Rod und Drummer Olli.
“Rod und Olli machen zusammen die Musik und legen sie mir dann vor. Dann setzen wir uns hin und verändern die Musik so weit, daß sie zu meinen Melodylines paßt. Im Endeffekt ist es bei uns nicht so wichtig, wer die Songs schreibt, da wir die GEMA-Einnahmen im Moment durch drei teilen. Das bedeutet, daß Rod und Olli genauso an den Lyrics beteiligt sind wie ich an der Musik. Letztlich hat ja auch jeder gleich hart daran gearbeitet.”
Des weiteren fallen einem die hier und da eingestreuten Textpassagen in deutsch auf, mit denen die Band schon seinerzeit auf dem „Return To Caramba“-Debüt operierte.
“Das haben wir schon von Anfang an gemacht. Leider ist es auf der neuen Scheibe weniger geworden. Eigentlich wollten wir auch eine Nummer mit einem komplett deutsch gesungenen Text auf das Album packen, aber der Song fiel auch musikalisch zu sehr aus dem Rahmen. Vielleicht werden wir den Song doch noch anläßlich der Ereignisse in Rostock vor einiger Zeit herausbringen, da er von der Thematik her recht gut paßt. Aber um auf die deutschen Textpassagen zurückzukommen: Wir sind halt eine deutsche Band und wollen einige Sachen auch auf deutsch sagen. Da, wo es halt paßt, da die deutsche Sprache ihre eigene Rhythmik und Härte hat. Aber wir sind ganz gewiß nicht deutschnational, das wäre zum Kotzen. Leider haben viele Leute hierzulande so eine Art Minderwertigkeitskomplex gegenüber Bands aus Amerika. Dabei sind die häufig keinen Deut besser. So sind zum Beispiel Bad Brains in ihrer Endphase schlechter als Jingo de Lunch, das kann ich ganz klar sagen. Oder guck‘ dir mal eine Band wie Ugly Kid Joe an! Ich meine, DEPP JONES machen bessere Musik.”
Bliebe zu guter Letzt noch die Frage nach dem ominösen Albumtitel „At 2012 A.D“.
“Das Jahr 2012 ist in der chinesischen Mythologie das Jahr, wo sich Armageddon abspielt – laut Bibel ist Armageddon die Zeit, in der der Krieg zwischen Menschen und weltlichen Dingen gegen die Götter stattfindet.”
Toll, da haben wir ja noch 20 Jahre Zeit!!!
BUFFO